2. Sonntag der Osterzeit – C: Joh 20,19-31
(Linz − Ursulinenkirche, 27. IV. 2025)
Der Heimgang des römischen Bischofs Franz bescherte den Medien in der vergangenen Osterwoche ihr Hochfest: Sie waren voll mit Berichten über die Umstände dieses Todes und über den besonderen Begräbnisort in S. Maria Maggiore, die Flut an Nachrufen war nicht mehr zu überblicken und reichte von persönlichen Erinnerungen bis hin zur Unterstreichung der eigenen Agenda unter Berufung auf das Wirken und Äußerungen des Verstorbenen. Kaum aber ist Franziskus begraben, richtet sich die Aufmerksamkeit des unaufhaltsamen medialen Trosses auf die Frage: Wer folgt auf Franziskus?
Ich möchte – durchaus mit Bezug auf das heutige Evangelium – aber noch einmal einen Aspekt des zu Ende gegangenen Pontifikats beleuchten: Ohne Zweifel wird Franziskus als Papst in Erinnerung bleiben, der die pastorale Sorge um das Wohlergehen der Menschen und um ihre volle Entfaltung in Freiheit, Liebe und Verantwortung als zentralen Sinn und Zweck kirchlichen Handelns verankert sehen wollte. Bis zuletzt blieb der „Papst vom Rande der Welt“ seiner ursprünglichen Berufung zum Seelsorger treu – quasi ein „Weltpfarrer“. Andere kirchliche Handlungsfelder wie die Bewahrung der Tradition oder der Reinheit der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre bedeuteten ihm weniger und trugen für ihn bestenfalls instrumentellen Charakter: Wo sie dem pastoralen Kernzweck der Kirche, also dem guten Leben der Menschen in Liebe und Verantwortung nicht dienten oder gar hinderlich waren, sprach er ihnen die Berechtigung ab.
Das hat manchen klerikalen Führungsfiguren so gar nicht gepasst und sie häufig irritiert. Mit Blick auf das heutige Evangelium gehören diese zur Fraktion jener, die gerne an der Titulierung des Apostels Thomas als „ungläubig“ festhalten aufgrund seiner Zweifel und Skepsis und die den Zweifel gar den „gefährlichsten Feind des Glaubens und der Liebe“ nennen, wie ich in einem Kommentar zum heutigen Evangelium lesen konnte. Christlicher Glaube bedeutet ihnen v.a. krampfhaftes Festhalten an einer Summe von kirchlichen Lehrsätzen und Liebe die nicht minder penible Befolgung der kirchlichen Morallehren. Aber ging es Jesus wirklich darum? Zeichnet das heutige Osterevangelium nicht ein ganz anderes Bild – jenseits aller Kategorisierungen in „gläubig“ und „ungläubig“?
Da sind auf der einen Seite die nach den traumatischen Erlebnissen rund um Jesu Tod völlig in ihrer Angst gefangenen Jünger: Sie haben sich hinter Mauern eingeigelt, abgeschlossen gegen eine feindliche Welt, die alles, worauf sie ihr Leben gegründet hatten, in Frage stellt. Der Auferstandene aber lässt sie nicht einfach in ihren festgefügten „Festungsmauern“ hocken, sondern durchbricht diese einfach. Angst verdient zwar, ernstgenommen zu werden. Aber Neues entsteht nicht dadurch, dass das Leben dieser Angst entsprechend eingerichtet wird, sondern indem die Angst genommen wird. Glauben bedeutet offenbar nicht sich abschotten in unverrückbaren Gewissheiten, sondern angstfreie Begegnung mit dem Leben, mit der Welt draußen im Vertrauen darauf, genau darin Gott zu begegnen.
Und da ist auf der anderen Seite Thomas: Der kapselt sich zwar nicht ab wie die Anderen nach der gewiss auch für ihn traumatischen Erfahrung rund um Jesu Tod; er geht hinaus. Aber auch er bleibt ein in sich Gefangener: Für ihn kann nur wahr sein, was er mit seinen Sinnen wahrnehmen und sich damit beweisen kann. Auch das ist eine Mauer – und auch die wird vom Auferstandenen durchbrochen, aber anders. Auch Zweifel und Skepsis verdienen, ernstgenommen zu werden – und nicht nur das: Der Auferstandene greift sie sogar positiv auf und kommt Thomas entgegen – auf dem Weg, den er eben zu gehen vermag. Glauben bedeutet offenbar nicht einfach ein blindes Sich-Hineinstürzen in eine Wirklichkeit unter Ausschaltung des Verstandes, sondern vertrauensvolle Begegnung mit dem Leben und mit der Welt außerhalb unter Zuhilfenahme der eigenen Geisteskräfte.
Gott wählt offenbar verschiedene Wege für die befreiende Begegnung mit Menschen in ihren je verschiedenen Lebenssituationen, ihren Charaktereigenschaften, ihren Stärken und Schwächen. Ich glaube, daran hat sich auch der verstorbene Papst orientiert: Nicht Dogmatik und Moralverkündigung sind das Kerngeschäft der Kirche, sondern befreiende Zuwendung zu den Menschen auf jeweils geeigneten, individuell weiterführenden Wegen.