Die aktuelle Predigt

5. Fastensonntag: Joh 11,1-45

(Linz − Ursulinenkirche, 26. III. 2023)

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Das Johannes-Evangelium überliefert insgesamt 7 Wunder Jesu – in stets sich steigernder Intensität: Mit dem eher heitere Züge tragenden Weinwunder von Kana hebt diese Reihe ja noch recht harmlos an. Sie setzt sich fort mit drei sich ebenfalls steigernden Wunderheilun­gen, dann mit einer Brotvermehrung und einem Gang über das Wasser. Alles noch gut! Der vorhin gehörte Wunderbericht grenzt in meinen Augen aber an Kraftmeierei an der Grenze zur Geschmacklosigkeit: die Rückholung eines bereits Verwesenden ins Leben! Jesus wird hier nachgerade zum Wunderprotz stilisiert, für den es einfach keine Grenzen gibt!

Nun scheint es tatsächlich in der Intention der biblischen Wunderberichte zu liegen, Jesus als den sehnsüchtig erwarteten Messias zu markieren, der in der schrankenlosen Allmacht Gottes handelt und wirkt. Mag sein, dass solch dramatische Wunderberichte den ursprüng­lichen Adressatenkreis der Evangelien wirklich nachhaltig beeindruckt haben. Uns 2.000 Jahre später lebenden Nachgeborenen lassen sie doch eher etwas ratlos zurück, wenn sie uns nicht sogar befremden. Wer heute Jesus als seinen Messias bekennt, gründet diesen Glauben doch eher auf die Beschäftigung mit der Wirkgeschichte des Christus-Glaubens und deren Überzeugungskraft sowie auf eigene Glaubenserfahrung. Märchenhafte Wunder­geschichten überzeugen heute, 2.000 Jahre später, höchstens noch schlichtere Gemüter.

Was also heute damit anfangen? – Nun, ein wenig hilft vielleicht die Besinnung darauf, dass die Messias-Erwartungen und -Vorstellungen der damaligen Zeit, die von den Evangelien auf Jesus gelenkt werden wollten, eindeutig politisch konnotiert waren. Heute in einer Woche feiern wir Palmsonntag und gedenken dabei des Einzugs Jesu in Jerusalem als Friedenskönig; und wenn wir dann in den Kartagen die Passion und den Kreuzestod Jesu erinnern, dann sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass die Kreuzigung nach damals geltendem Recht die übliche Hinrichtungsart für politische Aufrührer war. Jesus wurde von vielen seiner Zeitgenossen also als politischer Hoffnungsträger gefeiert – oder angefeindet und verfolgt, je nachdem. Die Jesus zugeschriebene bzw. zur Last gelegte Messias-Rolle trug jedenfalls auch eine eindeutig politische Note.

Und in diesem Kontext kann gerade die Erzählung von der Auferweckung des verstorbenen Lazarus eine auch für heute aktuelle, politisch relevante Botschaft vermitteln: Wir erleben gegenwärtig eine Krisenzeit der modernen Demokratie – verursacht u.a. durch politische Visionslosig­keit gekoppelt mit dem Verlust eines moralischen Grundkonsenses in der Gesellschaft, mit methodischen Desinformationskampagnen via Social Media und der Sehnsucht vieler Menschen nach Orientierung und einfachen Antworten auf komplexe Pro­bleme – ein idealer Nährboden für einem Rechtspopulis­mus, der sich all das schamlos zunutze macht. Typische Kennzeichen dieses Rechtspopulis­mus‘ sind u.a. starke Führerge­stalten, die mit messianischem Impetus auftreten und mit arg vereinfachenden, letztlich aber untauglichen Problemlösungen die Wählerschaft für sich zu gewinnen versuchen. Interessant ist dabei auch, dass viele dieser Demagogen u.a. für die Todesstrafe plädieren. Die Todesstrafe soll hier einfach maximale Machtfülle demonstrieren: Wer über dieses juris­tische Instrument verfügt, ist Richter und Herr über Leben und Tod.

Und genau vor diesem Hintergrund kann das biblische Wunder von der Totenerweckung geradezu als mahnende, vielleicht sogar als ironisierende Gegenerzählung gelesen werden: Wirkliche Messianität, echte Erlöserschaft, wahrhaft göttliche Machtfülle über Leben und Tod manifestiert sich eben nicht darin, dass Lebende getötet, sondern dass – umgekehrt! – Tote zum Leben erweckt werden! – Vielleicht ist das eine etwas kühn und sehr zeitbedingt anmutende Lesart des heutigen Evangeliums: Aber insgesamt liegt es sehr wohl in der Intention der biblischen Botschaft, dass sie vor allen irdisch-politischen Allmachtsansprü­chen warnt (– nicht zuletzt auch in Bezug auf die damaligen römischen Kaiser). Die biblische Botschaft lautet dagegen: Es gibt nur einen, dem absolute Macht zusteht – und der heißt ganz bestimmt nicht Putin oder USA, Ortega oder Kim Jong-un. Die können höchstens töten. Aber darin erschöpft sich auch schon ihre ganze lächerliche Macht.


Nächste Predigt: Palmsonntag – A, 02. IV. 2023

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dem Menschen zumutbar.

(Ingeborg Bachmann)
 
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