Die aktuelle Predigt

28. Sonntag im Jahreskreis – A: Mt 22,1-10

(Linz − Ursulinenkirche, 15. X. 2023)

Download als PDF

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Die aber kümmerten sich nicht darum. Einige sollen sogar gewalttätig gegen die Boten geworden sein? – Aber nicht doch: Dazu ist man heute viel zu zivilisiert!

Nein, einige der Eingeladenen meinten vielmehr: „Oh, schön: ein Fest! Aber: Was wird uns denn da geboten? Werden wir die Musik hören, die uns gefällt? Werden die Reden gehalten, die wir gerne hören? Und v.a. werden die Leute da sein, die uns zu Gesichte stehen, oder müssen wir da auch mit anderen rechnen?“ – Darauf wussten die Diener nur zu antworten: Nun, es sei zwar vieles vorbereitet. Aber ob es so ein richtig gutes Fest werde, das hänge doch auch immer davon ab, wie die Gäste selbst mitmachten und was sie selber dazu beitrügen. – Da zuckten die Eingeladenen die Schultern: Ach so sei das. Naja, man werde schon sehen; schließlich gebe es auch noch andere Angebote. Vielleicht werde man ja kommen. „Vielleicht“, sagten sie, und sowohl sie selbst als auch die Diener wussten, dass sie nicht kommen würden – oder höchstens, wenn sie sich nichts Besseres wüssten.

Wieder andere meinten: Oh, ein Hochzeitsfest sei an sich ja wunderbar! Nur – man sei gerade nicht so in Stimmung! Überdies sei man mit dem König ja gar nicht so gut bekannt. Vielleicht würde ohnehin alles im Fernsehen übertragen! Das sei dann ja fast, als wäre man selbst dabei. Und es komme ja nun wirklich nicht auf den Einzelnen an… Da wussten die Boten, dass auch mit bloßen Beobachtern kein rechtes Fest zu feiern ist.

Dann gab es auch noch welche, die wollten im Prinzip schon kommen, erkundigten sich aber, ob es die Einladung denn nur als Gesamtpaket gebe: Denn die Einen würden lieber nur zum Essen oder nur zum anschließenden Tanz kommen, andere sich lieber nur die Predigt und den schönen Chor anhören, aber nachher ginge man lieber heim. Die Boten des Königs gingen traurig weiter; denn sie wussten, dass ein Fest mit solchen Rosinen­pickern immer nur eine halbe Sache bleiben würde.

Manche hatten auch Bedenken, ob sie denn wirklich zur Schar der Gäste passen würden, bzw. ob sie da überhaupt dazu gehören wollten. Denn immerhin habe man gehört, dass da unterschiedslos alle eingeladen seien: die gut situierte Hofratswitwe neben dem ungewaschenen Obdachlosen, der Generaldirektor wie der syrische Lieferando-Fahrer, Top-Models und Behinderte, traditionelle und Patchwork-Familien, Priester und Prostituierte, ja sogar die ganze queere LGBTQIA+-Community. „Nein, da bleibt man doch lieber unter seinesgleichen und weiß, worauf man sich einlässt.“ Die Hochzeitslader meinten dazu: Das sei ja das Besondere, dass zu diesem Fest nicht nur die zusammenkämen, die ohnehin immer beisammen wären. Aber sie ernteten nur mildes Lächeln.

Besonders schwer hatten sie es schließlich mit jenen, die ihre Ablehnung damit begründeten, dass da schon früher Boten da gewesen wären. Die seien aber alles andere als einladend gewesen, vielmehr bevormundend, drohend, herrschsüchtig, jedenfalls unglaubwürdig, einige von ihnen sogar gewalttätig und immer mit den Mächtigen unter einer Decke – kurz und gut: Jene seien nicht so gewesen, wie sie eben hätten sein sollen, wenn sie schon so eine frohe Botschaft zu bringen hätten. Der König selbst sei ja insgesamt in Ordnung, man schätze ihn schon, aber sein Bodenpersonal … Naja, es seien schon ein paar darunter, die es ja gut meinten und ganz okay seien, aber das ganze System insgesamt betrachtet… Nein, nein – der König müsste zuerst einmal seine Mannschaft ordentlich filtern und erneuern und seine ganze Hofhaltung grundlegend reformieren. Dann könne man vielleicht mitmachen; dann könnte es vielleicht ein tolles Fest werden. Aber was man heute so alles wisse aus den Medien und aus dem Geschichtsunterricht … Die Boten meinten, es seien halt überall Menschen am Werk, und es könnte sich nur etwas ändern, wenn alle, die Veränderungen wollten und Ideen dazu hätten, selbst mitmachten. – „Was, jetzt sollen wir auch noch selbst Hand anlegen und arbeiten für das Fest? Wofür bezahlen wir denn Steuern?!“, bekamen sie zur Antwort und standen wieder vor der Tür.

Einmal kam einer von den Boten auf seinem Weg in eine Kirche – Sie wissen schon: eine von diesen zahllosen königlichen Versammlungshallen. Da waren zwar nicht mehr so viele Leute wie früher, und nicht immer war im Einzelnen klar, weshalb sie überhaupt da waren. Irgendetwas erwarteten sie. Vielleicht eine Einladung? Da stellte sich der Bote vorne hin und sagte zu den Anwesenden: „Schön, dass Ihr da seid! Vielleicht sind auch unter Euch manche, die noch nicht ganz sicher sind, ob sie wirklich mitkommen und mitmachen wollen. Aber immerhin: Ihr seid da. Die ersten Schritte habt Ihr also schon getan. … Es kann schon noch was werden mit dem Gottesreich …“



Nächste Predigt: 29. Sonntag im Jahreskreis – A, 22. X. 2023

← zurück zur Übersicht

 

Die Wahrheit ist
dem Menschen zumutbar.

(Ingeborg Bachmann)
 
JETZT im Buchhandel: