Die aktuelle Predigt

Taufe des Herrn – C: Lk 3,15-16.21-22

(Linz − Ursulinenkirche, 12. I. 2025)

Download als PDF

Die gesellschaftlichen Stimmungsbarometer in unserem Land zeichnen sich zu Beginn dieses noch jungen Jahres nicht gerade durch Höchststände aus: Wer nicht gerade ein Anhänger von Kickl, Trump und anderen National-Populisten ist, hat derzeit wenig Grund zu Optimismus: Die Wirtschaft hängt in einer Rezession; zu ihrer Förderung fehlen Budget­spielräume. Die Umweltpolitik hinkt weit hinter unbestreitbaren Notwendigkeiten her. Die von vielen von uns fast schon für selbstverständlich gehaltenen Fundamente einer men­schenrechtsbasierten, rechtsstaatlichen Demokratie wanken besorgniserregend – nicht nur bei uns, sondern international. Das sind jetzt nur drei beispielhafte Punkte, die bei vielen Menschen das Gefühl erzeugen: Österreich ist schon lange keine „Insel der Seligen“ mehr. Das Leben wird nicht nur komplexer, sondern auch prekärer, konfliktreicher, unsicherer. Die Zeiten sind entschieden vorbei, in denen alles vorwärts und sicher in ein umfassendes „Besser“ zu gehen schien.

Aber haben wir jemals wirklich auf einer Insel der Seligen gelebt – oder nur in einer der welthistorisch eher seltenen und regional begrenzten friedlich-wohlständigen Ausnahme­situationen, die uns vielfach verwöhnt und vergessen machen haben, dass das Gute nicht einfach selbstverständlich ist in dieser Welt, dass es vielmehr immer erkämpft, verteidigt und wieder neu errungen werden muss? Entspricht es nicht vielmehr der Norm, dass das gute Leben in dieser Welt permanent Bedrohungen ausgesetzt ist? – Mag sein, dass der rasante Fortschritt von Wissenschaften und Technik in den vergangenen Jahrzehnten dazu verführt hat, uralte Menschheitsträume für realisierbar zu halten: endgültige Überwindung von Krankheit und Endlichkeit; totale Verfügungsmacht über Natur und Leben; unaufhaltsa­mer Fortschritt und grenzenloses Wachstum; völlige Sicherheit und zugleich schrankenlose Freiheit. Aber das sind eben Menschheitsträume, aus denen es früher oder später ein Erwachen geben muss? „Muss!“ – weil menschliches Leben nun einmal ist, wie es ist: nicht machbar und grenzenlos verfügbar, vielmehr endlich, verletzlich, immer auf andere angewiesen! Weil wir eben Menschen sind und keine Götter!

Das heutige Fest „Taufe des Herrn“ kann uns ermutigen, diese Realität anzunehmen – nicht resignierend und fatalistisch, sondern mit würdevoll und freudig erhobenem Haupt! Dieses Fest, das die Schwelle zwischen Weihnachtszeit und liturgischem „Alltag“ markiert, buch­stabiert die Botschaft von der Menschwerdung Gottes noch einmal durch. Der Fokus liegt allerdings nicht mehr auf dem rührenden Jesus-Kind in der Krippe, sondern auf dem erwach­senen Mann Jesus. Der unterzieht sich – wie unzählige seiner Zeitgenossen – der Taufe des Johannes‘ im Jordan, dem Lebensstrom Israels. Johannes‘ Taufe war der Überlieferung nach eine Taufe zur Sündenvergebung, zu Umkehr und Neubeginn, eine Art Reinigungs­ritual. Man kann diese Erzählung von Jesu Taufe demnach so lesen: Gott lässt die Realität menschlichen Lebens ganz an sich heran; Gott macht sich diese Realität ganz zu eigen – diesfalls ihre Fehleranfälligkeit und Unzulänglichkeit, ihren immer wiederkehrenden Bedarf nach Reinigung, Heilung, Korrektur und Neuanfang. Auch in die Verletzlichkeit, Gefährdung und Endlichkeit menschlicher Existenz taucht Gott in dieser Taufe ein. Und in der „Stimme aus dem Himmel“ erklärt Gott diesem so behafteten Menschsein auch noch seine Liebe.

Genau dadurch erhalten diese zumeist negativ konnotierten Aspekte menschlicher Existenz aber eine ganz neue Bewertung: Sie sind integraler Bestandteil menschlichen Lebens; sie gehören dazu und machen unser Leben erst menschlich. Noch einmal: Ich will hier keinesfalls einem Fatalismus das Wort reden. Wirtschaftlicher Wohlstand, Menschrechte und Demokratie müssen ebenso immer wieder mit Leidenschaft errungen und verteidigt werden, wie Krankheit, Leid und Not bekämpft und verringert werden sollen, wo immer möglich! Aber das alles in einer Haltung der Demut und Dankbarkeit – und niemals im irrigen Glauben, alles machen und richten und das Leben jemals vollständig in den Griff bekommen zu können! Das wäre nicht Normalität, sondern Hybris. Wir sind nun einmal keine Götter und brauchen es nicht zu sein. Gott liebt uns als seine menschlichen Töchter und Söhne.



Nächste Predigt: 3. Sonntag im Jahreskreis – C, 26. I. 2025

← zurück zur Übersicht

Die Wahrheit ist
dem Menschen zumutbar.

(Ingeborg Bachmann)
 
Im Buchhandel: