Die aktuelle Predigt

3. Sonntag der Osterzeit – B: Lk 24,25-35

(Linz − Ursulinenkirche, 14. IV. 2024)

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Unter allen biblischen Osterberichten mag ich den hier geschilderten am allerwenigsten. Während es etwa Maria aus Magdala untersagt bleibt, den Auferstandenen auch nur zu berühren, ist die hier bei Lukas überlieferte Szene von einer geradezu primitiven Körperlich­keit: Der Auferstandene will ausdrücklich berührt werden an „Fleisch und Knochen“, um dann noch eins draufzusetzen mit dem Verzehr von gebratenem Fisch vor aller Augen! Man fühlt sich geradezu in ein Physik-Kabinett versetzt, in dem der Auferstandene ein paar empirische Vitalitätsbeweise liefert. Die ganze Szene wirkt auf mich irgendwie platt; und ihre Beweisführung allzu naiv-geradlinig: „Seht doch, wie leibhaftig ich lebe: Ich habe Fleisch und Knochen und bin sogar imstande zu essen wie ein normaler Mensch!“

Solche quasi naturwissenschaftlichen Beweisführungen haben unserem Glauben noch nie gut getan: Es gibt ihn nur derselben Lächerlichkeit preis wie die Erklärung Juri Gagarins, nach seiner Rückkehr vom ersten Weltallflug, wonach es Gott offenbar nicht gebe, denn er habe ihn „dort oben im Himmel“ nirgendwo sehen können. Oder wie der Versuch, die religiöse Rede von der Wandlung von Brot in den Leib Christi dadurch ad absurdum zu führen, dass man nachwies, dass ein und dieselbe Hostie nach ihrer Konsekration dieselbe chemische Zusammensetzung aufwies wie davor. – Im Falle dieses biblischen Auferste­hungsberichts muss man sich ja auch fast zwangsläufig fragen: Soll das jetzt die ganze Auferstehung gewesen sein, wenn am Ende nur dieselbe Körperlichkeit und also Sterblichkeit dabei herauskommt wie zuvor?

Die biblischen Osterberichte zeigen sich insgesamt irgendwie widersprüchlich: tiefgründig-rätselhaft die Einen, vordergründig-platt die Anderen. Einmal erscheint der Auferstandene ephemer-verklärt, kommt durch verschlossene Türen und verschwindet ebenso spurlos wieder, dann wird er wieder ziemlich handfest-lebendig geschildert; er isst und trinkt, als ob es Kreuz und Grab nicht gegeben hätte. Vielleicht spiegelt diese Widersprüchlichkeit aber nur die generelle Schwierigkeit wider, von der Auferstehung verständlich zu reden. – Auffallend an allen biblischen Osterberichten ist jedenfalls eines: dass die so unterschiedlich geschilderten Begegnungen mit dem Auferstandenen die Anwesenden keineswegs sofort zu glühenden Missionaren des Osterglaubens gemacht haben. Meistens wirken sie eher verdattert, hin und her gerissen zwischen Begeisterung und Skepsis, zwischen Ansätzen von Verstehen und lähmender Ratlosigkeit. Man gewinnt den gar nicht verwunderlichen Eindruck: Ihr gewohntes Weltbild ist durch den Tod Jesu und die darauffolgenden Begegnungen mit dem Tot-Geglaubten aus den Fugen geraten. Die bisher so eindeutig und klar gezogenen Grenzlinien von Leben und Tod, von Traum und Realität haben irgendwie einen Riss bekommen und beginnen zu verschwimmen.

Der reformierte Schweizer Dichter-Pfarrer Kurt Marti spricht in Zusammenhang mit dieser Ostererfahrung von einem „Ur-Sprung“ – im doppelten Sinn des Wortes: Erstens steht ganz am Anfang des Osterglaubens ein Sprung, der den zwischen Geburt und Tod aufgespann­ten, vermeintlich fest gefügten Rahmen allen Lebens sprengt. Die Grenzen des Lebens scheinen aufgebrochen – zwar nicht aufgehoben und gelöscht, aber doch in ihrer absoluten Gültigkeit in Frage gestellt. – Zweitens steht ebenfalls ganz am Anfang des Osterglaubens ein Sprung, der niemandem erspart bleibt, der sich darauf einlassen möchte: der Sprung in das Wagnis eines Lebens, in dem der Tod keine Endgültigkeit mehr besitzt.

Und noch etwas: Die ersten Auferstehungszeugen haben den Überlieferungen zufolge of­fenbar nie sofort begriffen; sie blieben zunächst eher ratlos Staunende. – Vielleicht kommt es aber genau darauf an! Denn zum Staunen gehört, dass es ohne Zwang geschieht, also ohne innere Logik oder sonst wie zwingende Notwendigkeit. An die Aufer­stehung zu glauben, bleibt also immer noch ein Akt der Freiheit: Ich muss nicht – ich darf.



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