Die aktuelle Predigt

14. Sonntag im Jahreskreis – C: Lk 10,1-11

(Linz − Ursulinenkirche, 06. VII. 2025)

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Vor wenigen Tagen habe ich einen Studienkollegen und langjährigen Freund besucht, der bis zu seiner Pensionierung Bürgermeister einer kleinen Gemeinde am Nordrand des Schwarzwaldes war. Er erzählte mir von einer 2-wöchigen Radtour mit einigen anderen 60+-Bürger:innen seiner Gemeinde zu ihrer Partnergemeinde im Westen Frankreichs; Anlass war das Gedenken „80 Jahre Kriegsende“. Tagsüber passierten und besuchten sie fast täglich riesige Soldatenfriedhöfe aus den beiden Weltkriegen: Aber- und abertausende Gräber, welche das am Leben Sterbliche von französischen, deutschen, amerikanischen und englischen Gefallenen bargen, die dem Alter nach die Söhne der Radpilger hätten sein können. Am Abend jeder Tagesetappe wurden diese von einer kleinen örtlichen Delegation empfangen und bei Gastfamilien untergebracht. Mein Freund erzählte mir, wie die Begegnungen mit ihren Gastgebern von Tag zu Tag bewegender und berührender wurden, und ihm wurde erst allmählich bewusst, dass das vielleicht auch damit zu tun hatte, dass seine kleine Radler-Gruppe den Zweck ihrer Pilgerfahrt fast unbewusst aber beharrlich „umzuwidmen“ begonnen hatte: Sie fuhren ihrer westfranzösischen Partnergemeinde entgegen – nicht länger im Gedenken an „80 Jahre Kriegsende“; sie luden die Menschen, denen sie begegneten, vielmehr ein, gemeinsam „80 Jahre Frieden“ zu feiern!

Gewiss trafen sie damit einen besonders sensiblen Nerv der Gegenwart: Die nach dem 2. Weltkrieg so tief verwurzelte Überzeugung „Nie wieder Krieg!“ ist heute der nüchternen Erkenntnis gewichen, dass Krieg jederzeit wieder ausbrechen kann und der Friede keines­wegs der Normalfall und schon gar keine Selbstverständlichkeit ist in unserer Welt. Diese Nicht-Selbstverständlichkeit und Dank-Würdigkeit des Friedens rückten sie sich selbst und ihren Gastgebern aber schlicht und einfach dadurch ins Bewusstsein, dass sie den immerhin bereits 80 Jahre lang währenden Frieden zwischen den einst oft so erbitterten Feinden miteinander zu feiern einluden – richtig zu feiern, und nicht einfach nur in einem lauen Anflug von Dankbarkeit zur Kenntnis zu nehmen. „An unserem Ziel angekommen, war unsere ursprünglich eher etwas bemühte Gedenkfahrt zu einer festlichen Friedenswallfahrt im Vollsinn des Wortes geworden.“, schloss mein Freund seine Erzählung.

Ich musste unwillkürlich an das vorhin gehörte Tagesevangelium denken und daran, dass ich ein Element darin bislang immer überlesen bzw. wenig beachtet habe: Das Erste, das die von Jesus ausgesandten Jünger beim Eintritt in ein Haus äußern sollten, war der Friedenswunsch. Das schien mir bislang immer bloß eine floskelhafte Grußformel zu sein. Wer sollte auch schon Unfrieden befürchten von Fremden, die nur so rudimentär ausgerüs­tet waren, wie es das Evangelium beschreibt: kein Geldbeutel, keine Vorratstasche, nicht einmal Schuhe? Allenfalls eine unbedeutende Störung der eigenen privaten Behaglichkeit. – Jedenfalls: Der Friedenswunsch war das Wichtigste und zugleich schon alles, was sie mitbrachten – und bei genauerer Betrachtung ist das eigentlich sehr viel. Frieden wünschen sich alle, aber er ist eben keine Selbstverständlichkeit. Er muss vielmehr gepflegt, mitunter sogar mühsam bewahrt und errungen, in jedem Fall aber dankbar entgegengenommen und – gefeiert werden. Er ist ein Geschenk, eine Gnade und ein Zeichen für die Nähe des Gottesreichs.

Diese einfache, aber keineswegs triviale Botschaft möchte ich Euch in die angebrochene Urlaubs- und Reisezeit mitgeben. Man muss ja nicht gleich eine mehrwöchige Fahrradtour unternehmen und auch nicht unbedingt in ein ehemals bitter verfeindetes Land reisen. Die Sommerzeit bietet im Normalfall zahlreiche Gelegenheiten zur Begegnung mit neuen oder schon lange nicht mehr gesehenen Menschen. Vielleicht zeigt es Wirkung bzw. bewirkt und setzt es etwas Positives in Bewegung, mit diesen Menschen nicht nur das Kennenlernen bzw. Wiedersehen zu feiern, sondern ausdrücklich auch den alles andere als selbstver­ständlichen Frieden, der diese Begegnungen überhaupt ermöglicht…

Nächste Predigt: 15. Sonntag im Jahreskreis – C, 13. VII. 2025

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Die Wahrheit ist
dem Menschen zumutbar.

(Ingeborg Bachmann)
 
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