Theater M.23:

Peter Weiss
"DIE VERFOLGUNG UND ERMORDUNG
JEAN PAUL MARATS
DARGESTELLT DURCH DIE
SCHAUSPIELGRUPPE DES
HOSPIZES ZU CHARENTON
UNTER ANLEITUNG DES
HERRN DE SADE"
(UA 1964)

Aufführungen: 25. - 28. Mai 2008,
Galerie d. Kath. Hochschulgemeinde Linz

 

Mitwirkende

Ausrufer

Christian NEUMAIER

Marquis de Sade, Schriftsteller.

Markus SCHLAGNITWEIT

Jean Paul Marat, Revolutionsführer

Maximilian MODL

Simonne Evrard, Marat's Lebensgefährtin 

Mariana LIPPACHER

Charlotte Corday, Marat's Mörderin

Evelyn MALLINGER

Duperret, girondistischer Abgeordneter

Johannes WAHLMÜLLER

Jacques Roux, ehem. Priester & radikaler Sozialist

Georg ZENTA

Coulmier, Direktor der Irrenanstalt

Stefan SCHOBESBERGER

Coulmier's Frau

Stefanie ALTENHOFER

Die 4 Sänger

Kokol

Maria WALLINGER

Polpoch

Klara PORSCH

Cucurucu

Anita BARTH

Rossignol

Gerlind NIEL

Patienten

Josef SCHAITL
Isabella SCHWAIGHOFER
Susanne WULLNER

Regie

Erich J. LANGWIESNER

Licht, Ton, Technik

-  Daniel FRISCHHUT

Maske, Fotografie, gute Seele etc.

Renate PERFAHL

 

Hintergrund
(nach Peter WEISS)

Schon vor seiner Gefangenschaft in der Pariser Bastille leitete der Marquis de Sade (1740 – 1814) Theateraufführungen in seinem Schloss. Allein während seiner 13jährigen Kerkerhaft schrieb er 17 Dramen. Er stellte darin analysierende und philosophische Dialoge gegen Szenerien körperlicher Exzesse. Sein stark bildhaftes Denken zeigt sich wie in seinen Romanen durch die außerordentlich konkrete Beschreibung aller Vorgänge. Seine dramatische Arbeit reichte allerdings nie an die Kühnheit und Konsequenz seiner Prosa heran.

Von 1801 bis zu seinem Tod war er in der Anstalt Charenton bei Paris interniert, wo er Gelegenheit hatte, im Kreis der Patienten Schauspiele zu insze­nieren und selbst auf der Bühne zu stehen. Charenton war eine Anstalt, in die man Menschen brachte, die sich durch ihr Verhalten in der Gesellschaft unmöglich gemacht hatten, auch ohne dass sie geisteskrank waren. In den höheren Pariser Kreisen galt es als exklusives Vergnügen, de Sades Vorstellungen in dem „Schlupfwinkel für den moralischen Auswurf der bür­gerlichen Gesellschaft“ zu besuchen.

Die im vorliegenden Stück thematisierte Auseinandersetzung de Sades mit dem Revolutionär Jean Paul Marat (1743 – 1793) ist frei erfunden und schließt allein an die Tatsache an, dass de Sade bei Marat’s Totenfeier die Gedenkrede hielt – vermutlich nur, um seinen eigenen Kopf zu retten, stand er damals doch bereits selbst auf der Liste der Guillotineopfer.

Was an dieser Konfrontation hauptsächlich interessiert, ist der Konflikt zwischen dem bis zum Äußersten geführten Individualismus de Sade’s und dem Gedanken an eine politische und soziale Umwälzung.

Von der Notwendigkeit einer Revolution war auch de Sade überzeugt; er befürwortete Marat’s radikale Argumente, und sein Oeuvre ist ein einziger Angriff auf die korrumpierte herrschende Klasse. Zugleich schrak er jedoch vor den totalitären Gewaltmaßnahmen der Neuordner zurück.

Von der Begegnung mit de Sade abgesehen entspricht die im vorliegenden Stück geschilderte Lage Marat’s der Wirklichkeit: Die psychosomatische Hauterkrankung seiner letzten Lebensjahre zwang ihn zu stundenlangen Aufenthalten in einer Badewanne, wo ihn am Vorabend des 13. Juli 1793 Charlotte Corday erstach, nachdem sie zuvor zweimal vergeblich an seiner Tür erschienen war. Marat’s Äußerungen im Lauf der Handlung entsprechen – mitunter wortgetreu – seinen hinterlassenen Schriften. Auch was über seinen Werdegang erwähnt wird, hält sich ans Authentische.

Keine Gestalt der französischen Revolution wurde von der bürgerlichen Geschichtsschreibung des 19. Jh. so abschreckend und blutrünstig dargestellt wie er, was kaum verwundert, führen seine Tendenzen doch in direkter Linie zum Marxismus. Erst Anfang des 20. Jh. gelang es, das einseitige Bild Marat’s zu revidieren und die Scharfsinnigkeit seiner politischen und wissenschaftlichen Argumente entsprechend zu würdigen.

 

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